Two Friends, 2010/2024

Raftingboote, Edelstahl und Sandsäcke

Diese sehr private, gleichzeitig aber auch öffentliche Geschichte war ursprünglich jene von zwei Freund:innen, zwei Kunstschaffenden, zwei Gesprächspartner:innen. 2010 entwarfen Eva Grubinger und Werner Feiersinger eine schwimmende Skulptur auf der Donau, einem der größten Flüsse Europas, der seit Jahrhunderten Menschen und Güter befördert. Das mit Two Friends betitelte Kunstwerk bestand aus zwei schwarzen Schlauchbooten, verbunden durch einen spiegelähnlichen, die Umwelt reflektierenden Edelstahlträger. Die Boote stammten von der Schweizer Armee, der Träger war eine Referenz an den Minimalismus – eine Quelle der Inspiration für die beiden Kunstschaffenden. In ihrer Kombination erzeugten die Elemente einen Moment der Spannung, Irritation, Verbindung, ruhevollen Präsenz, unterwegs auf einer Reise ohne Ziel.  

Als wir im Archiv von Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich auf die Dokumentation zur Skulptur stießen, stellte sich uns die Frage, ob es wohl möglich wäre, sie im Rahmen eines speziellen Kontexts in St. Pölten wiedererstehen zu lassen, und so kam es zu einer Neuauflage von Two Friends als schwimmendes Gegenmahnmal auf einem der Viehofner Seen. 

Das Gebiet, heute ein beschauliches Freizeitareal, hat eine düstere Vergangenheit: Von 1944 bis 1945 betrieben die Nazis hier zwei Zwangsarbeitslager – in einem waren ungarische Juden interniert, im anderen Nicht-Juden. Die Grube, in der sich heute die beiden Seen befinden, wurde von den Gefangenen im Zuge der Sand- und Schottergewinnung ausgehoben. Außer einer Luftaufnahme aus dem Jahr 1945, die eine Übersicht über das Areal bietet – ebenfalls ein Projekt von KOERNOE* –, gibt es kaum Spuren vor Ort, die auf diese tragische Geschichte hinweisen.  

In diesem Zusammenhang bekommt die Skulptur Two Friends eine ganz neue Bedeutung, denn neben dem verbindenden Element (auch zwischen zwei österreichischen Kunstschaffenden) bildet sie ein eindrucksvolles Gegengewicht zu dem, was unter dem Wasser liegt. In der Gegenüberstellung von schwerem Stahlträger und Anker einerseits und schwimmenden Schlauchbooten andererseits beschwört das Kunstwerk durch seine Materialität die Dramatik der unausgesprochenen Erinnerung herauf. Der Stahlträger fungiert dabei als Spiegel einer unsichtbaren Landschaft, verzerrt das progressive, moderne Paradigma einer idyllischen Umgebung und schafft eine greifbarere Verbindung zur Eisenindustrie, die auf der Zwangsarbeit der Lagerinsassen aufbaute. Betrachtet man die Skulptur vom 2006 errichteten Aussichtsturm, mag sie mancher oder manchem vielleicht dennoch nur wie ein einsames Doppelboot erscheinen oder wie die Geschichte zweier Freund:innen. Und das ist ganz in Ordnung so; das ist die Kraft der Kunst. Wir lesen darin, was wir sehen (oder nicht sehen können).  

(Joanna Warsza & Lorena Moreno Vera)

 

*Akronym von Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich

    Eva Grubinger und Werner Feiersinger © Katie-Aileen Dempsey

    Eva Grubinger (1970, Salzburg) nimmt oft bestehende Formen und manipuliert sie, indem sie ihren Maßstab, ihr Material, ihre Oberflächen, ihren Kontext usw. verändert, um verborgene kulturelle Kräfte freizulegen. Eva Grubinger studierte an der HdK Berlin bei VALIE EXPORT und Katharina Sieverding. Ihre Arbeiten wurden in zahlreichen internationalen Ausstellungen und im öffentlichen Raum gezeigt, darunter Museumspavillon, Salzburg (2024), Malmö Kunstmuseum, Malmö (2024), Belvedere 21, Wien (2022, 2019), mumok, Wien (2021), Bloomberg Space, London (2016), Institute of Contemporary Arts, London (2015), Witte de With Center for Contemporary Art, Rotterdam (2014), Kunsthalle Wien (2015), Taipei Fine Arts Museum, Taipeh (2008), Museum of Contemporary Art KIASMA, Helsinki (2001), BALTIC Centre for Contemporary Art, Newcastle (2003), Berlinische Galerie, Berlin (2004), Schirn Kunsthalle Frankfurt, Frankfurt am Main (2007), Museum der Moderne, Salzburg (2009), u.a.

    www.evagrubinger.com

     

    Werner Feiersinger (1966, Brixlegg) lebt als Bildhauer und Fotograf in Wien. Er studierte an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien und an der Jan van Eyck-Akademie in Maastricht , hatte Gastprofessuren an der Universität für angewandte Kunst Wien und an der École nationale supérieure des beaux-arts de Lyon sowie eine Lehrtätigkeit an der TU Wien. Der Künstler realisierte zahlreiche Ausstellungen und Projekte im öffentlichen Raum, unter anderem an der Industrial Biennial (Istrien), Belvedere 21, Secession Vienna, Galerie Martin Janda (Wien), Salzburg Museum (Salzburg), Ferdinandeum, (Innsbruck), Schiavo Zoppeli Gallery (Mailand). Aktuell konzipierte er die Ausstellungsinstallationen für Fischer von Erlach im Salzburg Museum (2023) und im Wien Museum (2024). Mit dem Architekten Martin Feiersinger forschte er zur Nachkriegsarchitektur in Oberitalien: Die Ausstellungen Italomodern 1 (2011/12) & Italomodern 2 (2015/16) entstanden im aut – architektur und tirol, Innsbruck, mit einigen weiteren internationalen Stationen und begleitenden Publikationen.

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